Merseburger Geschichten

Merseburg, eine geschichtsträchtige und touristisch attraktive Stadt, die selbstverständlich auch großen Wert auf ihre Historie und das damit verbundene Image legt.

Geradezu monumental präsentieren sich Dom und Schloss der Hochschulstadt oberhalb der scheinbar friedvoll gebetteten Saale. Allein diese Orte können unzählige Geschichten aus vergangener Zeit erzählen. Geschichten, die die Stadt bereichern. Die sie auch für Tourist*innen und Historiker*innen interessant machen. Geschichten, mit denen sich die Merseburger*innen gern auseinandersetzen und denen Mensch gern gespannt lauscht.

Nicht weit vom Dom, Schloss und den weltweit bekannten Merseburger Zaubersprüchen entfernt, trägt die Saale eine dunkle Geschichte Merseburgs in sich.

In ihr ertranken am 12.August 1979 Raul Garcia Paret und Delfin Guerra. Zwei Vertragsarbeiter aus Kuba, die während des DDR-Regimes hier lebten um zu malochen. Sie versuchten das Beste aus ihren Leben zu machen – so, wie das nun einmal wohl jede*r von uns tut.

Am 12. August 1979 nahmen ihre Leben in Merseburg ein jähes Ende, als sie nach einer vorangegangenen Auseinandersetzung mit Merseburger*innen von diesen in die Saale gehetzt und mit Steinen sowie Flaschen beworfen wurde.

Zwei Menschenleben wurden ausgelöscht.

Merseburg schweigt bis heute.

Merseburg schweigt nicht etwa aus Trauer oder Respekt, schweigt nicht in Gedenken an zwei Opfer eines rassistischen Übergriffs. Merseburg schweigt aus Scham, aus Imagegründen und aus dem Wissen heraus, dass die Täter*innen noch immer mit uns in dieser Stadt leben.

Doch es gibt Menschen, die gedenken und die diesen dunklen Teil der Merseburger Stadtgeschichte nicht verdrängen oder gar vergessen wollen. Die Initiative 12.August möchte vollständige Aufklärung der Geschehnisse, möchte Gerechtigkeit. Aus Respekt vor Delfin Guerra und Raul Garcia Paret. Aus Respekt gegenüber den Hinterbliebenen und allen Opfern von Rassismus.

Rassismus in einem (vermeintlich) antifaschistischen Staat – das durfte es nicht geben. Dann lieber schweigen. Schweigen wie so oft, wenn es um Rassismus geht.

Dass sich die Stadt und deren Obrigkeiten auch heute – in der Gegenwart – nicht mit dieser Thematik auseinandersetzen wollen, ist bitter.

Wäre doch die Möglichkeit gegeben, die schrecklichen Geschehnisse des 12.08.1979 konstruktiv und nachhaltig aufzuarbeiten, Bildungsprojekte gegen Rassismus und jegliche Form des Hasses auf Minderheiten für Jung und Alt daraus entstehen zu lassen und einen Ort des Gedenkens und des Mahnens zu schaffen.

Diese Möglichkeiten ergreift die Stadt Merseburg nicht.

Kreative Menschen waren im letzten Jahr weniger scheu und ignorant.

So entstand in unmittelbarer Nähe des Tatortes ein eindrucksvolles und den Umständen angemessenes Wandbild, welches mit den Gesichtern und Namen der beiden Kubaner an diese erinnerte. Wo zuvor rechte Schmierereien zu sehen waren und seit Jahren geduldet wurden, hielt durch die kunstvoll gestaltete Wand im letzten Jahr kurzzeitig ein Ort der Erinnerung Einzug.

Wenige Tage nur dauerte es, bis die Merseburger Stadtverwaltung dieses Kunstwerk des Gedenkens zerstörte.    Beschämend.

Statt sich dankbar für diesen kreativen und geschichtlich wertvollen Beitrag zu zeigen, wurde die Wand gereinigt und zudem ein Ermittlungsverfahren gegen die Künstler*innen eingeleitet.

Nachvollziehbar ist diese Art des Umgangs mit Rassismus keineswegs. Dies zu dulden ebenfalls nicht.

Einerseits werden politisch rechte Schmierereien an dieser Stelle toleriert, andererseits wird ein Kunstwerk, welches eine starke Symbolkraft gegen Rassismus aufwies, vernichtet und obendrein noch rechtlich geahndet. 

Selbstredend kann Mensch ignorant mit den Geschehnissen von 1979 umgehen, kann sich eine  Stadtverwaltung über Jahrzehnte gegen jede Form der Aufarbeitung und Opferanerkennung sperren. Doch wird es auch immer Menschen geben, die nicht vergessen, die den Opfern gedenken und diesen Teil der Stadthistorie aufarbeiten wollen.

Was bleibt ist die klare Forderung an die Stadt Merseburg, einen Gedenkort zu genehmigen, verbunden mit der Bitte allen Opfern rassistischer Gewalt auf diesem Wege entsprechenden  Respekt & Anerkennung entgegenzubringen!

Für einen Ort des Erinnerns, des Schweigens aus Anteilnahme, des Schreiens aus Wut und Verzweiflung! Für einen Ort der Solidarität und damit verbunden ein städtisches Zeichen gegen jeden Rassismus einzutreten – ganz gleich, ob damals oder heute!

Ebenfalls fordern wir die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die couragierten Künstler*innen, welche für einen Moment Stadtgeschichte sichtbar gemacht haben!

Unser Dank und unsere Solidarität gilt euch!

– ein Beitrag des Kreisvorstands & der Merseburger Stadträtin Vicky –

Besucht die Homepage der Initiative 12.August und schaut nicht weg!

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