Was braucht es für einen Asylskandal?

Als erstes Wohl einen Vorwurf: Hunderte falsch beurteilte Asylanträge soll es zwischen 2013 und 2016 in Bremen gegeben haben. Der mediale Aufschrei bei Bekanntwerden 2018 ist riesig. Die Amtsleiterin und zwei Anwälte stehen unter Verdacht, Anträge falsch positiv bewertet zu haben.

Die Bremer AfD und FDP forderten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zeitweise waren 40 ErmittlerInnen für die Staatsanwaltschaft auf Fehlersuche. “Die größte Ermittlungsgruppe, die jemals in einem Kriminalfall in Bremen tätig war.” Mittlerweile laufen Ermittlungen gegen die ehemaligen Ermittler, die entlastende Beweise unterschlagen haben sollen. Die Berichterstattung ist verglichen mit 2018 nichtig.

Und im Saalekreis? Da gibt es eben den “falschen” Vorwurf: Der Ex-Amtsleiter soll NS-Symbolik versendet und im Rahmen seiner beruflichen Stellung eine Frau zu privaten Kontakten gedrängt haben. Sollte eine Affinität zu verfassungsfeindlicher Gesinnung bestehen, so könnte man doch annehmen, dass hier Beurteilungen zu Asylgesuchen getroffen wurden, die weder wohlwollend noch neutral fielen. Man könnte sich fragen, ob nicht einige oder viele Verwaltungsakte der Ausländerbehörde im Saalekreis durch einen “Hardliner” am juristisch äußerst rechten Rand entschieden wurden. Man müsste sich in jedem Fall fragen, ob die Würde jedes Menschen dort gleichermaßen unantastbar war.

Seit vielen Jahren kritisieren wir die Vorgänge in der Ausländerbehörde SK: überdurchschnittlich häufig sanktioniert die Verwaltung über die Ausgabe von Gutscheinen statt Bargeld. Kann man verkraften, denken Sie? Der Selbsttest hat gezeigt, dass vom getauschten 500 € Monats-Budget knapp 60 € verloren gingen, weil man kein Restgeld bekommt. In der Apotheke mal Schmerzmittel kaufen, ging auch nicht. Tanken war unmöglich, so wie Bus oder Zug fahren. Die Post wollte keine Gutscheine. Im Kindergarten war das Essengeld nicht zahlbar. Handyguthaben darf davon nicht bezahlt werden. In Günthersdorf wollte kein einziges Geschäft einen Gutschein annehmen. Da kann man jetzt sagen, dass der Luxus eines Nova-Shopping-Trips auch nichts für Geflüchtete ist. Aber warum denn??? Sollten nicht alle Menschen gleich frei in ihren Entscheidungen sein? Gleiche Teilhabe heißt eben auch, dass jeder Geld für alles mögliche ausgeben darf, auch wenn es als irgendeine Sozialleistung kommt.

Grund für Sanktionen ist meist fehlende Mitwirkung. Im konkreten Fall von Waheed P., der im März aus einer Rückkehrberatung heraus abgeschoben wurde, fehlte die Mitwirkung nicht. Er hatte zeitweise eine Arbeitserlaubnis. Als diese entzogen wurde, verlor er nicht nur einen Job, sondern wieder eine Perspektive. Er durfte aus einer Gemeinschaftsunterkunft ausziehen, weil sein psychologisches Gutachten das empfahl. Er hätte Anfang 2021 einen Termin in der afghanischen Botschaft gehabt, wegen der Klärung seiner Herkunft. Erst nachdem seine MitbewohnerInnen ihn per Flugblatt suchen, weil er spurlos verschwunden ist, und erst nach Einschalten der Presse, bestätigt die Ausländerbehörde seine Abschiebung. Waheed war 24 Jahre alt, hatte keine Unterlagen und keine persönlichen Gegenstände dabei, als er in ein Land abgeschoben wurde, dass er nicht kannte, dessen Sprache er nicht sprach.

“Hardlinen” geht aber auch anders: wenn die Ausländerbehörde des Saalekreises einem seit über 10 Jahren in Deutschland lebenden Luxemburger mit Ausweisung droht. Daniel ist sogar seit 2012 mit seinem deutschen Mann Ilja verheiratet. Beide sind als Integrationslotsen in der Ausländerbehörde unterwegs, geben Deutschkurse. Das hält die Verwaltung aber nicht davon ab, einen Nachweis über ausreichende Sprachkenntnisse zu fordern. Was war nochmal eine der luxemburgischen Amtssprachen? Ach ja, Deutsch.

Wenn man in den “[A]Sozialen Medien” Debatten über die Kosten verfolgt, die Geflüchtete verursachen, könnte man meinen, sehr viele Menschen in Deutschland wären finanziell sehr schlecht dran. Wir haben uns vorgenommen, in einem Sozialstaat zu leben, der allen Menschen die gleichen Chancen gibt. Das klappt nicht immer. Aber wenn man sich vor Augen führt, was ein Geflüchteter in einer Gemeinschaftsunterkunft für ein Bett in einem Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftbad und -küche zahlen muss, wenn er erwerbstätig ist, sieht man eine immense Ungerechtigkeit. Die sogenannte “Wohnsitzauflage” zwingt die Geflüchteten, in den Gemeinschaftsunterkünften zu leben. Sie dürfen dort nur auf Antrag ausziehen. Es kommt vor, dass diese Anträge eine lange Bearbeitungszeit haben. Es kommt aber auch vor, dass man nach Antragstellung plötzlich nur noch Tage dort leben darf.
Hin wie her schlecht.
Verdient man also irgendwas um die 1200 €, gibt man zwei Drittel davon an den Landkreis ab, der einem dieses tolle Zimmer mit ungewollten Mitbewohnern zur Verfügung stellt und auch noch darüber entscheidet, ob man sich eine Wohnung suchen darf oder nicht. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass zusätzlich noch Nebenkosten verlangt wurden.
Nochmal: für ein Bett in einem Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsbad und -küche. In dem man nichts selbst gestalten kann, das man tagsüber verlässt, weil man die Mitbewohner nicht riechen kann. Um dann zu merken, dass es den Deutschen nicht gefällt, wenn sie plötzlich nicht mehr nur Deutsche auf der Straße sehen.

Unser Fazit und zurück nach Bremen: Ein richtig guter Skandal entstünde, würde man Menschen unberechtigter Weise etwas schenken. Es ist hingegen kein Skandal, kaum einen Aufschrei wert, wenn man sie beraubt.

Und es ist Raub, jemandem die Chance zu verwehren auf ein lebenswertes Dasein, darauf Teil einer Gesellschaft zu sein und einen Platz samt Aufgabe zu haben.

Ist das denn vereinbar mit den Christlichen Werten???

Verwaltungsakte unterliegen völlig zurecht strikten Regelungen. Aber man hat Spielräume, die man wohlwollend oder ablehnend gestalten kann. Es ist einfach, einer Aktennummer eine Sanktion oder Ablehnung zu verpassen. Aber Geflüchtete sind keine Aktennummern. Sie sind Menschen mit Geschichten, mit Verlusten, mit Leid, mit Wunden, mit Trauer und Traumata. Niemand flieht aus Langeweile!

Von der Kreisverwaltung und dem Landrat fordern wir als Grüner Kreisverband den Blick in den Burgenlandkreis. Mit Gründung der Migrationsagentur wurde das Klima verändert. Man arbeitet an Willkommensstrukturen. Und Transparenz schafft auch Toleranz und Akzeptanz. Die Aufklärung der Causa Rosenstein ist Grundlage für die Transparenz.

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